KIRBISCH - Ein episches Gedicht KIRBISCH - ODER DER GENDARM, DIE SCHANDE UND DAS GLÜCK.
Ein episches Gedicht von Anton Wildgans
Dieses, satirische Versepos ist als das epische Zentralwerk des Dichters zu bezeichnen. Infolge seiner inhaltlichen und formalen Qualitäten findet es auch heute noch Anerkennung. 1950 wurde es unter Mitwirkung von Paula Wessely, Attila Hörbiger u. a. unter dem Titel „Cordula" verfilmt. 1987 nahm es Heinrich Gattermayer als Textgrundlage einer Oper oder, wie er sein Werk selbst bezeichnete, „einer szenischen Ballade", die nicht ohne Eindruck blieb.
Wildgans an Franz Karl Ginzkey (1925):
„Ich freue mich auf Deine ideell hitzigen Einwände, die Du gegen Dichtungen in der Art meines Kirbisch erheben wirst. „Der Menschheit Würde ist in Eure Hand gegeben " wirst Du mir, wie Schiller den Künstlern zurufen, worauf ich Dir grinsend die kalte Teufelsfaust meines Epos entgegenhalten werde [...] Darin siehst Du meine andere Seite, die man hinter meinen Gedichten nicht vermutet [...] Ich erwarte mir davon einen Kranz - aus Trüffeln, die die Schweine, welche einen Teil der heutigen Menschheit bilden, extra für mich aus dem Dreck ihrer eigenen Niedrigkeit herausgerüsselt haben werden.“
Wildgans an Staakmann (Verleger, 1927):
„Es darf literarisch kein Fehlschlag werden und das wird auch dann nicht der Fall sein, wenn man ihm in künstlerischer Beziehung nichts zum Vorwurf machen kann. Bedenken Sie den Stoff! Bedenken Sie die Anklage, die darin ist, die Satire, die es darstellt. Ein Geheul der Wut wird darin aufgellen auf allen Linien, bei allen Parteien.“
Stefan Zweig (1927) an seinen Freund Wildgans:
„Lieber Meister Anton! Du hast ein Vorurteil bei mir erschlagen. Ich hatte mir vorgenommen, Dein Epos nur schluckweise zu gustieren. Aber es kam anders, und kaum hatte ich es angefaßt, da packte es mich und ließ mich nicht mehr los. Du hast diesmal auch jene überrascht, die Dir das Beste zutrauen. Das Buch ist noch mehr, als Du selbst bisher warst, obwohl es Dich ganz enthält Deine profunde Humanität ebenso wie Deinen tiefdenkenden, bis ins Gekröse hin hineinhallenden Humor. Dieses Buch ist ein Denkmal aus Österreich, Denkmal einer Zeit und Generation und wird als solches bestehen, dauerhafter wahrscheinlicher als alles, was Du und wir bisher gemacht haben.“
Kirbisch - oder Der Gendarm, die Schande und das Glück
Ein episches Gedicht von Anton Wildgans
(Einige Ausschnitte als Überblick der Handlung)
Übelbach heißt die Gemeinde am Hang des gewaltigen Volland,
Wo die Geschichte von Schande und Glück des Gendarmen sich zutrug.
Volland nannten die Väter verschollener Laufte den Teufel,
Und so erzählt auch die Sage von jenem Ursteingebirge,
Daß es der Luzifer sei, der Engel des Aufruhrs, den Gottes
Machtspruch aus Himmel verstieß, und hierlands fiel er zur Erde.
In Übelbach wird das Fronleichnamsfest vorbereitet.
Und ein seltsames Paar betrat den Platz bei der Fichte:
War es der Frühling selbst oder gar der Unsterblichen eine,
Die da in Züchten erschien, gefolgt von einem Geschöpfe,
Das einem Satyr glich? Eine purpurn-blühende Tracht von
Alpenrosen, gepflückt auf den Hängen und Matten des Volland,
Trug sie im linken Arme, indessen die Rechte der Göttin
Kräftig den herrlichsten Strauß von Frühlingsblumen umspannt hielt.
Cordula war es, die Schenkin vom Gasthaus zum Störrischen Engel.
Welches so mit Bedacht auf die Vollandlegende benannt war,
Und ihr folgte, gebückt von der Korblast duftenden Reisigs,
Vitus, der Knecht in bemeldeter Wirtschaft, die Einfalt des Dorfes.
Da erhob sich der Pfarrer und schlug wie ein schelmisch vergnügter
Junge laut in die Hände und sprach mit leuchtenden Augen:
„Wirklich, ihr habt es geschafft, ihr beiden grundgütigen Seelen.“
Aber, Vitus, der geistig Behinderte, wird von den Dorfbuben gequält.
Furchtbar nahm er es ernst, der Arme im Geiste; die Tränen
Liefen ihm über die Wangen, ein krampfhaftes, heiseres Schluchzen
Stieß ihm empor in den Hals, in das schnappernde Kinn, in die Schultern;
Bittend, bettelnd, beschwörend suchte er Gnade und Ausweg,
Aber je mehr er bemüht war, sich loszumachen von seinen
Peinigern, desto grotesker wurde sein Jammergebärden.
Kreischend platzten heraus die Weiber des Bäckers und Kaufmanns,
Prustend hielt sich den Bauch die Witwe des Grünzeugverschleißers,
Lachend liefen auch andre herbei aus Gewölben und Häusern,
Und die Hunde des Fleischers umsprangen bellend den Aufruhr.
Einzig Cordula rührte ein mutig Erbarmen, und ruhig
Trat sie unter das Volk, verscheuchte die Buben und führte
Vitus, den törichten Dulder, mit freundlichem Zuspruch von dannen.
Stille ward es da plötzlich, und allgemeine Beschämung
Sperrte die Mäuler auf, die eben gekreischt und gelacht noch.
Aber die Weiber erholten sich bald und zeterten Unflat
Hinter dem Mädchen daher und fuhren dann fort, zu bekränzen
Jesu Bild am Altar, das stumm und bekümmert herabsah.
Männerrunde im Dorfgasthaus.
Derart schwollen die Reden. Jedoch, wer waren denn all die
Führer und Politisierer im Dorf am gewaltigen Volland?
Allen am Geiste voran: Matthäus Scholaster, der Lehrer!
Dieser, ein vor der Weihe der Kutte entsprungenes Pf äfflein,
Hatte dereinst von Lassalle verschiedene Schriften gelesen.
Wenn auch nicht eben verstanden. So war er für sich und mit Vorsicht
Freigeist und Sozialist, als welches ihn aber nicht abhielt,
Orgel zu spielen zur Messe und Sängerdienste zu tun bei
Jedem kanonischen Anlaß, mit Rücksicht auf die Gebühren.
Dieser nun führte das Wort, indes der Gemeindevorsteher -
Künigl Josef sein Name - nur redete, wenn er des Weines
Einige Viertel getrunken. Sonst saß er verlegen und wortkarg,
Spuckte und schneuzte sich bloß, und heute war Künigl nüchtern.
Um so vernehmlicher sprachen und schwelgten in Blüten der Rede:
Johann Baptist Populorum, der findige Krämer des Ortes,
Dessen Gattin Sophie als Hebamme staatlich geprüft war,
Frischenschlager, der Bäcker, und Zaunschirm, der Feuerwehrhauptmann,
Hitzgern, der Maurer, Oremus, der Schmied, und Hiebaum, der Schreiner,
Der als Mephisto des Dorfes bei allen gescheut und beliebt war.
Alle doch weit übertraf, schon auf Grund seines Lebendgewichtes,
Fürbaß Romanus Agid, der lendengewaltige Selcher!
Wohl, einem Stiere glich er an Widerrist, Schultern und Nacken!
Knallrot waren die Backen und kurzgeschoren die Haare,
Keulen schienen die Schenkel und drohten, die Hose zu sprengen,
Während der mächtige Rumpf in dem weißen Wamse des Schlächters
Saß, als wäre ihm Atem und jede Bewegung benommen.
Dieser Unhold jedoch, zu dessen Beruf es gehörte,
Tieren den Garaus zu machen, in Eingeweiden zu wühlen
Und das noch dampfende Blut in gereinigte Därme zu füllen,
Hätte als Mensch und privat wohl kaum eine Fliege getötet,
Hatte ein zärtliches Herz, viel Sinn für die Schönheit der Frauen,
Deren Liebling er war als ledig und Mann von Geschäften.
Konnte die Zither schlagen und singen zur Zither und war mit
Einem Wort ein Genie, eine Perle von Mann, ein Gemütsmensch.
Die Handlung steigt an, als Fleps, ein ehemaliger Adjutant, auf Fronturlaub nach Übelbach kommt. Er hatte mit Cordula eine Liebesbeziehung gehabt.
Ohne Zweifel, Herr Fleps, der ländliche Junge von ehmals,
War durch die Schule des Kriegs Kavalier und Weltmann geworden.
Sprach mit dem lässigen Tonfall der Herrn Offiziere und schien nun
Endlich ihr ebenbürtig als Kandidat für die Ehe
Oder auch nicht für die Ehe - Herrn Flepsens Wille geschehe!
Dies nun war Grundes genug, daß das Fräulein Rose Rachoinig
Sich bacchanalisch benahm. Doch worin bestand dies Benehmen?
Erstens - obwohl ihr die Nase infolge von etwas Rachitis
Immer ein wenig verstopft war, zumal wenn das Fräulein erregt war -
Schwatzte sie dreimal soviel als sonst, und das wollte was heißen!
Zweitens lachte sie ununterbrochen, krampfhaft und grundlos,
Drittens nippte sie Branntwein von jedem Gläschen der Runde,
Viertens paffte sie Qualm aus des Försters Pfeife und schnob die
Schwaden quer über den Tisch an Fürbaß vorüber auf Fleps hin,
Fünftens und sechstens aber - und dies war besonders mänadisch! -
Sprühte sie glitzernde Blicke aus lüstern blinzelnden Augen
Mitten in Flepsens Gesicht und hatte, wenn sie so hinsah,
Ob auch ihr fahles Gebiß nicht eben ermunternd zum Kuß war,
Gleich einem Weib in der Wollust die Lippen ein wenig geöffnet.
Doch, als auch dieses nichts nützte, um Flepsens Herz zu bezaubern,
Probte sie stärkere Zwänge, indem sie dem Selcher erlaubte,
Daß er die wuchtige Hand mit den Fingern wie rosige Würstchen
Ungenierter denn je auf ihrem jungfräulichen Schoß hielt.
Aber auch dies war umsonst, die Eifersucht plagte Herrn Fleps nicht.
Nun trat Cordula ein - sie war in der ersten Verwirrung
Rasch in die Küche entwichen - und brachte dem Fähnrich-Adjunkten
Braten, Kartoffelsalat und ein Viertel vom besten der Weine.
So wie dem fremdesten Gaste servierte sie ihrem Geliebten,
Aber die Blicke der beiden vermieden einander mit Absicht.
Als sich Fleps zu nächtlicher Stunde in dienstlicher Angelegenheit an den Gendarm wenden will, macht er die Bekanntschaft der Gendarmin.
Und es ward auch geöffnet; indessen anstatt des Gendarmen
Stand auf nackenden Füßen und sozusagen im Hemde,
(Einzig ein wollenes Tuch umhüllte dürftig die Schultern)
Stand mit gelösten Haaren und schlafgeröteten Wangen,
Etwas zitternd vor Kälte, ein junges, verlegenes Weib da.
Fleps war genügend von Welt, um sich rasch und geschmeidig zu fassen
Und im verbindlichsten Ton nach dem Herrn Gendarmen zu fragen.
Ob er in diesem Hause denn nicht mehr wohne? Worauf die
Schüchterne Antwort erfolgte: es habe Herr Kirbisch schon abends
Sich auf den Volland begeben behufs eines nächtlichen Dienstgangs,
Morgen erst kehre er heim; worum sich's im übrigen handle?
„Sind Sie die Frau Gemahlin des Herrn Gendarmen?" versetzte
Fleps nun mit Courtoisie, was jene, schon muntrer, bejahte.
Denn die gebildete Art des schmucken Herrn Offizieres
Stieg ihr schnurstracks zu Kopf, in ihr die Dame erweckend.
Die sie doch nahezu war als ehemalige Jungfer
Hochgeborener Frauen und später in einem Bankiershaus.
Folglich errötete sie und raffte um Schultern und Brüste
Enger den wollenen Schal und schlug die Augen zu Boden.
Siegreich lächelte Fleps, der Kenner weiblicher Regung,
Und betrachtete sie mit alles enthüllenden Blicken.
Cordula erwartet von Fleps ein Kind. Dieser versucht aber, sich von ihr abzusetzen.
Also horchte sie auf und fragte erbebend: „Was heißt das:
Alles regeln und ordnen?" Und Fleps erwiderte: „Weißt du,
Heiraten kann ich dich nicht, davon war auch niemals die Rede.
Aber wenn ich zurückkomm' - man kann das ja wirklich nicht wissen! –
So übernehm' ich doch gern, soweit ich es dann noch imstand' bin,
Meinen Teil an der Sorge ..." Allein die Magd unterbrach ihn:
„Also, wird unser Kind einen ehrlichen Vater besitzen?
Oder wird es das nicht?" Doch Fleps wich rasch und geschickt aus:
„Aber ich sag' dir doch eben: ich bin ja gar nicht im Zweifel,
Daß ich der Vater bin!" Da erhob sich das Mädchen und sagte:
„Wenn du nichts anderes weißt, so bin ich zu Ende und gehe!
Sorgen für unser Kind, das kann ich wirklich allein auch,
Bin ja gottlob gesund, und um Arbeit ist mir nicht bange!"
„Auch nicht um einen Mann", warf wie beleidigt Herr Fleps ein.
„Der dich mitsamt dem Kind nimmt! An Werbern wird's ja nicht fehlen!"
Aber Cordula schwieg und würdigte ihn keiner Antwort.
Da nun war es an Fleps, den treulosen Verlassnen zu spielen,
Ja, er verstieg sich sogar zu eifersüchtigen Reden,
Und fast wären sie echt und nicht eine Finte gewesen!
Das Fronleichnamsfest selbst ist eine Augen-, Ohren- und Magenfreude für alle Beteiligten, trotz des Krieges.
Dieses war die Musik. Ihr folgten mit Schleiern und Myrten
bräutlich dem Himmel geschmückt, in Paaren die christlichen Jungfrauen.
Göttlicher Schöne, so denkt sich der Glaube den Herrn und Heiland.
Schmerzhaft doch holdester Bildung die Jungfrau-Mutter Maria:
Anmutig schildert die Schrift den Lieblingsjünger Johannes,
Und die Heiligen alle, besonders die weiblichen, adelt
Selbst die kanonische Kunst auch durch irdische Reize; woraus sich
Zwingend ergibt, daß Schönheit nicht immer nur Blendwerk der Hölle.
Jene aber, o Gott, sie machten dem Meißel des Meisters,
Der sie zu Ebenbildern der eigenen Herrlichkeit formte,
Ach, nur bescheidene Ehre und ließen die Reinheit des Fleisches
Weniger als ein Verdienst denn als Not und Verhängnis erscheinen.
Aber die Schönheit der Herzen! In Gottes Namen, vorüber!
Nicht doch vorüber, noch nicht! Denn siehe, wer pfaut da am Ende
Dieses jungfräulichen Zuges? Wer trägt seine windige Unschuld
Gleich einer Jahrmarktsmonstranze des sittlichen Hochmuts vor sich her?
Kennen wir dieses Gesicht nicht, die lüsterne Ziegenvisage
Mit dem perfiden Geschau der scheinheilig lauernden Tücke?
Rührend noch war der Verzicht bei den anderen himmlischen Bräuten.
Rührend das grobe Schuhwerk, die arbeitzermarterten Hände
Und der gesenkte Blick der gottergebenen Einfalt!
Jene doch spreizt sich pompös mit wallenden Federn am Plüschhut,
Und ihr plebejischer Fuß ist gezwängt in den zierlichen Lackschuh.
Ja, sie ist es, sie ist's, die heute in frühester Frühe
Schon auf der Gendarmerie war und selbst sich als Zeugin erboten
Gegen Crinis Ernest, den unglückseligen Glaser!
Diese himmlische Braut ist das Fräulein Rose Rachoinig!
Und ihr folgt auf dem Fuß der Verein der christlichen Witwen.
Die Schande der zweiten Episode widerfährt dem Gendarm, der zunächst wegen seiner strengen Durchführung kriegsbedingter Wirtschaftsmaßnahmen von allen gemieden, schließlich zum Mittelpunkt des allgemeinen Spottes wird: Seine Frau hat mit Fleps ein Verhältnis begonnen. Darüber tratschen die Frauen im Dorf.
Huh, wie knackten und klapperten da die falschen Gebisse!
Wahrlich, ein Totentanz für den guten Ruf der Gendarmin!
Giftig speichelnde Lippen schmatzten und schnappten nach jedem
Kichernd getuschelten Worte, die boshaft aufleuchtenden Augen
Glühten Triumph und Geilheit, die Antwort fiel in die Frage,
Eh sie noch halb erst getan, Erstaunen, Wut und Entrüstung
Wild überschlugen einander, und Schandmaul zischte in Schandmaul:
„Aber, was Sie nicht sagen, Frau Frischenschlager, nicht möglich!"
„Aber, Frau Populorum, das weiß doch ein jeder im Ort schon!"
„Wenn der Kirbisch im Dienst ist?" „Natürlich, wenn er im Dienst ist!
Zuschaun wird er doch nicht!" „Nein, so eine schlechte Person das!
Spielt die Unschuld vom Land und hat es hinter den Ohren!"
„Und erst das Lämpchen dazu von unserer Mutter im Himmel!"
„Meiner Seel' und Gott, das ist eine Sünde! Das heißt ja
Unsere Liebe Frau persönlich zur Kupplerin machen!"
„Jesus, Maria und Josef, wenn das der Herr Pfarrer erfahrn wird!"
„Unser armer Herr Pfarrer, nein, daß ihm sowas passiern muß!"
„Deshalb schenkt ihr der Herrgott auch keine Kinder, Frau Crisper!"
„Geben Sie acht, Frau Oremus, jetzt wird schon bald eines dasein!"
„Aber nicht vom Gendarmen!"„Natürlich nicht! Sondern vom ändern!"
„Aber wer ist denn der andre?" „Er soll ein gemeiner Soldat sein!
Irgendein Kanonier von der Stadt her!" „Und krank soll er auch sein!!"
„Heilige Mutter Gottes!" „Was Ihnen nicht einfällt, Frau Hitzgern!
Frisch und gesund ist der Mensch!" „Ja, kennen Sie ihn, Frau Oremus?"
„Aber natürlich, Sie auch, Frau Frischenschlager!" „Ich dank' schön
Für eine solche Bekanntschaft! Vielleicht, daß Sie mit dergleichen
Leuten verkehren, ich nichtl" „Das bitt' ich mir aus, Sie gemeine,
Unverschämte Person! Von Ihnen weiß man schon auch was!"
„Sagen Sie's, wenn Sie was wissen!" - Zu diesem Punkte gekommen,
War es nahe daran, daß die eifernden, geifernden Weiber
Sich in die Haare gerieten. Da fuhr aus dem giftigen Gischte
Aller der flüsternden, wispernden, lispelnden, zischenden Zungen
Plötzlich ein Name empor, der freilich geschaffen dazu schien,
Wie aus dem Blasrohr geflitzt, ins Schwarze der Wahrheit zu treffen:
Dieser Name hieß Fleps, und Fleps war auch schon die Gewißheit!
Schiebung, Schleichhandel und neue Truppenaushebung halten Einzug in Übelbach. Der Pfarrer ist erschüttert über den moralischen Verfall seiner Herde. Er möchte den Menschen ins Gewissen reden, doch seine Aufgabe wird ihm zum Angsttraum.
Weitausgebreiteter Arme und leuchtend von heiligem Kampftrotz
Harrte der Pfarrer des Anpralls. Da traf es ihn scharf an die Stirne,
Und er brach in die Knie. Doch übermenschlichen Willens
Riß er sich taumelnd empor, erreichte den Schreibtisch und sank dort
Schwer in den ärmlichen Stuhl und weh seine blutende Seele
Schrie: „O Jerusalem, die du steinigest deine Propheten
Und die Gesandten des Herrn ermordest, wie oft hab' ich deine
Kinder versammeln wollen, wie ihre Küchlein die Henne
Unter die Flügel nimmt, die schützenden, du aber hast mich,
Hast mich niemals gehört!"
Da zuckte draußen am finstern
Sturmwindzerklüfteten Himmel der erste Blitz auf, und fernher
Rollte der Donner heran, die Erde erschütternd, und wieder
Schrie aus den Tiefen des Leids die wunde geistliche Seele:
„Wahrlich, ich sage euch, die Zeit ist erfüllet, die Schergen
Gottes brechen schon auf zum Gerichte! Der Mond und die Sterne
Stehn als Geschwüre am Himmel, und Zähneknirschen und Heulen
Ist in die Welt gekommen gewaltig! Und dennoch ist all dies
Nur der Beginn des Gerichtes!
In einem gewaltigen Hexensabbat dreht sich das Volk in den Abgrund.
Zur allgemeinen Belustigung will man Cordula und Vitus als Ehepaar hinstellen.
Plötzlich brach die Musik ab, der Tanz hielt inne, und zwölfmal
Schlug es auf schepperndes Blech, und hinter der Presse hervor kam
Schwinzerl im Priesterornat aus roten und goldenen Flicken.
Wie eine Kanzel erklomm er das hölzerne Untier und bot nun
Vitus und Cordula auf: Ob jemand ein Hindernis wisse? –
Höllengelächter die Antwort. Den Weibern blitzten die Blicke,
Grausame Nüstern erbebten, und häßlich verzog es die Mäuler.
Jetzt erschienen vom Schafstall die wilden Burschen mit Vitus.
Bleich vor Erschütterung war er und dennoch beseligter Augen.
Neuer Gelächtertumult, Applaus und besoffnes Gejohle.
Wo aber war denn die Braut? Sie kam nicht zur Hochzeit? Noch eben
Hatten sie welche gesehn in der Schank die Gäste bedienen!
In der nahen Industriestadt war ein Munitionsdepot explodiert.
Da aber, was war das?! Auf einmal wankte die Erde:
Ungeheurer Donner! Und wieder Erschüttern! Und wieder
Ganze Kaskaden von Donnern! Von wannen? Von unten? Von oben?
Und der Himmel war rot und die Dächer schwarze, geduckte
Rücken wider die Röte! Da bebte von neuem der Grund und –
Irgendwoher aus der Tiefe, als berste die Erde im Kerne! –
Wieder betäubender Krach! Da fiel in der Stille, die folgte,
Alles Volk auf die Knie in fahlem Entsetzen, und plötzlich
Wimmerte wo in der Ferne, vom Ende des Dorfs, eine Stimme,
Wuchs und ward zum Gezeter des Wahnsinns.
Im letzten Gesang nimmt Cordula Abschied von ihren Wirtsleuten und von Übelbach. Sie steigt vom Gebirge ins Tal und geht einem neuen, Ungewissen Anfang entgegen.
Cordula, schmerzhafte Magd, wo führt dein Weg hin? Wo wird dir,
Wenn deine Stunde gekommen, die Bürde des heiligen Lebens
Abzusetzen erlaubt sein? Glaubst du noch immer an Menschen,
Welche die Hungrigen speisen und Müden ein Labsal bereiten?
Alle Spitäler belegt mit blessierten Soldaten, für Mütter
Weder irgendein Raum noch geeignete Nahrung! Ist dir da
Irgendwo auf der Welt bei fremden gleichgültigen Leuten
Auch nur ein Stall so gewiß, bei Ochs und Esel ein Kripplein,
Wo du dein Kindlein bettest, und war' es auf Lumpen und Stroh nur?
Aber die Hirten lobsängen: Ehre sei Gott in der Höhe!
Aber die Könige kämen mit Gold, mit Myrrhen und Weihrauch.
Anzubeten das Kind! - Oh, Träume, Cordula, Träume!
Dornen sind dir gesäet, und Steine werden dein Brot sein,
Ach, wo immer du gehst und wo immer du anklopfst. Denn siehe,
Übelbach ist ja ein Dorf nicht, in seiner Art einzig, kein Ausbund
Unter den Orten und Stätten der erdebewohnenden Menschen.
Übelbach ist ja die Welt, und die derbe Begierde, zu raffen,
Selber in Freveln zu blühn und die Unschuld büßen zu lassen,
Ist ja der Irdischen Art! Noch immer haben die Lauten
Leisere niedergeschrien, die Rohen die Zarten geknechtet,
Schurken die Guten gemißbraucht! Noch immer auch ruhte das Schicksal,
Welches im Großen bestimmte die Lose der Menschengeschlechter,
Nicht bei den Weisen und Edeln! Nein, immer noch waren's die Gaukler,
Rollenschleicher der Macht und Fälscher der hohen Begriffe,
Welche mit Lockung und Peitsche für dieses oder für jenes
Wahnwort die gläubige Herde von Schlachtbank zu Schlachtbank getrieben.
Und so werden sie 's treiben, solange die Welt steht! Und dennoch:
Auch, solange die Welt steht, wird immer wieder ein reines
Kindlein geboren werden, um dessen willen der Herr die
Erde so schön gemacht und den Herzen die Hoffnung gegeben !
|