Das Lächeln
Eine Frühlingsballade
Wie doch die Menschen sind: sie sorgen,
Was morgen werden wird und übermorgen –
Und ihre Seelen bleiben blind und arm.
An Gärten wandern sie vorbei, an Gittern,
Die von dem Drängen junger Sträucher zittern,
Und ihre Seelen füllt der ewig gleiche Harm.
Daß über Nacht ein Wunder neu geboren,
Daß aus der alten Häuser tiefen Toren
Nun wieder Kinderlaut und Kühle weht –
Und daß sich Wölkchen bilden in den Lüften
Von Zigaretten- und Orangendüften
Oder Parfum, wenn eine schöne Frau vorübergeht –
Sie fühlen dieses nicht und nicht das Neigen
Der Abende, wenn sich in langen Reigen
Müd-armes Volk die Straßen heimwärts drängt,
Sie sehen nicht, wie diese bleichen Wangen
Der jungen Mädchen vor dem Frühling bangen,
Der so viel Sehnsucht und Gefahr verhängt ...
In meinem Leben weiß ich einen Kranken,
Gelähmt an Gliedern, Willen und Gedanken,
Nur seine Seele war dem Wunder heil –
Der konnte lächeln, wenn der erste Schimmer
Der Frühlingssonne in sein traurig Zimmer
Sich leise schob, ein goldner, zarter Keil.
Der konnte lächeln über jede Blüte,
Daß dieses Lächelns wundervolle Güte
Dem toten Auge flüchtig Leben gab:
Der konnte weinen über Kinderlieder
Und tiefer atmen, wenn der Duft vom Flieder
Ihn grüßen kam in seiner Kissen Grab.
Und dieses Lächeln, diese Tränen waren
So überreich an jenem Wunderbaren,
Des alle darben, die so dumpf-gesund.
Und ich hielt dieses Mannes Hand im Sterben,
Und ward zu seines Lächelns Erben,
Das wie ein Blühen lag um seinen blassen Mund.
Drum faß ich diese Menschen nicht, die sorgen,
Was morgen werden wird und übermorgen,
Und ihre Seelen bleiben blind und arm.
An Gärten wandern sie vorbei, an Gittern,
Die von dem Drängen junger Sträucher zittern,
Und ihre Seelen füllt der ewig gleiche Harm. |