Einem jungen Richter zur Beeidigung Du bist so jung – War nicht in deiner Hand,
Die vor dem Kreuze du erhobst zum Eid,
Ein Zittern noch gerührter Eitelkeit,
Die zu dir raunte und dich überwand:
Oh, über Nacht ist Macht
In mich gekommen – viele Macht - !? -
Du Kind, den Büchern kaum
Entwachsen, wissend kaum, was Leben
Und Jammer ist, du, wie ein junger Baum
Noch biegsam, Kind du: über allem Traum
Von Macht und Ich ist die Gerechtigkeit
Und das Gesetz, an dessen Purpursaum
Du deine Finger legtest heut’ zum Eid.
Vergiß es nicht. Du bist ja auch nur Mensch
Und so wie wir, die deines Spruches warten.
Und dieses Leben ist ein wirrer Garten,
In dem das Unkraut wuchert und der Edeltrieb
Sich spärlich fristet – Hab ihn lieb
Und such ihn überall. Denn es kann sein,
Daß er in Dornen ist. Und wenn du strafst,
Weil das Gesetz es will, tu’s nicht erbost
Wie eine Rache, sondern so, daß Trost
Noch ist in der Notwendigkeit.
Und glaube jenen nicht, die Zahn um Zahn
Und Aug um Auge heischen, Dies ist Wahn
Und rührt aus einer blutig-finstern Zeit,
Du aber diene dieser. Denn sie schreit
Nach ihrem Recht. Ihr Recht ist deine Pflicht.
Drum sei auch nicht
Büttel und Sklave am geschriebnen Wort.
Denn alles, was geschrieben steht, verdorrt,
Wenn es gedankenlos ein stumpfer Knecht
Betreut. Den Gärtner braucht das Recht,
Den selbstlos-weisen, der mit seinem Blut
Den Weinberg düngt. Denn ohne dies wird das
Gesetz zum Hohn und die Gerechtigkeit
Ein eitel Haschen nach dem Wind.
So gib auch du dein warmes Blut, du Kind,
Und all dein Herz – denn dieses will dein Eid. |