Triptychon der Liebe 1.
Das war die Nacht, die aller Nächte Preis –
Erinnerst du dich noch an unser Zimmer?
Die kleine Gasse draußen lag so weiß
Und blank im maienkühlen Mondenschimmer,
Wie atmend bauschten sich und wogten leis
Die bleichen Stores, durchrieselt vom Geflimmer,
Und über Dächer kam in vollen Wogen
Blühender Gärten feuchter Duft gezogen.
Da waren wir zum erstenmal allein
In solchem Frühling und zu solcher Stunde.
In schlanken Kelchen schäumte kalter Wein,
Orangen bluteten aus kühler Wunde,
Die Kerzen gaben lieben blassen Schein,
Nur manchmal wehten Worte uns vom Munde,
Und wie sie tief in unsre Seelen sanken,
Erblühten sie zu südlich-reichen Ranken.
Und dann – ich weiß nicht mehr, wie alles kam,
Wie zögernd sich dein sanftes Blut erwehrte,
Als ich, die Rosen jäh erblühter Scham
Beseligt pflückend, höchste Gunst begehrte.
Ich weiß nur, daß ich alles Süße nahm:
Das gern Gegebene und kaum Gewährte,
Und daß wir dann in einen traumlostiefen,
Erlösten Schlummer Brust an Brust entschliefen.
O, nicht für lange! – Immer wieder trieb
Zu jähem Aufruhr uns erneutes Sehnen,
Und leise Frage: „Hast du mich denn lieb?“
Heischte Beweise, gab uns Lust und Tränen;
Und dann, wie Pferde unter heißem Hieb,
Griffen die Sinne aus in roten Mähnen,
Und da sie, unsern Willen schleifend, rannten,
Lechzten die Lippen und die Lider brannten.
Dann kam der Morgen, mählich, ungeglaubt,
Herbeigeschleppt von grauen Geisterhänden –
Der kleine Raum, der Dunkelheit beraubt,
Umwuchs uns kalt mit fremden Gegenständen.
Da standen unsre Worte wie entlaubt
Und ausgehöhlt von brünstigem Verschwenden,
Und unsre müden Sinne, wunden Nerven
Begannen, sich für Häßliches zu schärfen.
Da war des Tisches wüst verschobnes Tuch
Und da noch Wein, daß er getrunken werde,
Dort einer halben Frucht verwester Bruch,
Und welke Blumen lagen auf der Erde –
Ein faulig, süßlich, gestriger Geruch,
Eine erstickte, grinsende Gebärde –
Ich weiß nicht mehr, wie wir aus jenen Stunden
In unsre Liebe wieder heimgefunden.
2.
Und dann war Sommer. Ganz in Wiesen stand
Das weiße Haus, umschmiegt von Rosenranken.
Von tiefem Summen zitterte das Land
Bis zu der Wälder schattenblauen Flanken,
Indessen Wind den gärend-hellen Brand
Reifender Saaten kühlte und von schwanken,
Wispernden Rispen warme Wölkchen stäubte
Fruchtbaren Duftes, welcher fast betäubte.
O Himmel über uns, zerfließender Opal!
Im Grase liegen, wie auf einer Zille
Dahingetragen, und nur manches Mal
Aufschaun, wenn wolkenfern der weh und schrille
Schrei kreisender Bussarde, fein wie Stahl,
Ein Äderchen der schläfernd-süßen Stille
Durchschneidet — und aus Träumen sich besinnen,
Daß uns kein Strom, kein Nachen trug von hinnen.
Und wandern, wenn die Wälder müde sind
Und, sickernd durch der Wipfel dunkle Bauschen,
Das rote Gold an Stämmen niederrinnt,
Mit jedem Schritt versinken in das Rauschen
Gehäuften Laubes, wie ein ängstlich Kind
Plötzlich erschauern und ein Wild belauschen,
Die sanfte Tierheit solchen stummen Wesens
Wie Lust verspürend nahenden Genesens.
Dann, durch den blauen Rauch der Wiesen hin,
Schritten wir still zu unserm Haus in Rosen.
Die Gräser bogen sich vor unsern Knien,
Und deiner liebevollen Hände Kosen
Glitt über ihre kühlen Spitzen hin,
Indessen letztes Licht sich in die losen
Spielenden Falten weißen Kleides schmiegte
Und in dem Dämmer um dein Haupt versiegte.
Und schlafen gehen, Worte voller Duft
Von aufgelösten blonden Frauenhaaren,
Trunken von Mondenlicht und Abendluft,
Die kühl und geisternd drin gefangen waren!
O schlafen gehen, Worte voller Duft
Weicher Gewirke, die von zarten, klaren,
Belebten Schultern zögernd niederflossen,
Noch voll der Wärme, welche sie umschlossen.
In dies Gelöstsein, diese Müdigkeit
Wohlig erschöpfter und durchsonnter Glieder
Stieß nie der Sinne jähe Lüsternheit
Wie eines Geiers grelle Gier hernieder:
Wir waren keusch wie Tiere, deren Zeit
Noch nicht gekommen, und wie Kinder wieder,
Indessen über Hügel fern herüber
Der Schein der Stadt erglühte, rot wie Fieber.
3.
Oh, sei nicht traurig, weine nicht, mein Kind,
Und laß uns scheiden, ohne es zu müssen!
Zwei Schmetterlinge nahm der Frühlingswind
Auf seine Schwingen, daß sie satt sich küssen,
Und jetzt ist Herbst! In allen Gärten sind
Die Äste schwer von süßen Überflüssen,
Und auf den Hügeln bollern die Salute
Dem schäumenden rotgoldenen Traubenblute.
In dieser der Erfüllung üppigen Zeit
Mag auch die Liebe ihre Ernte tragen!
So laß uns stark und ohne Bitterkeit
Den letzten langen Kuß des Abschieds wagen
Und weise sein, eh unser Herz verschneit
Und Mühsamkeiten es wie Frost zernagen:
Die Frucht ersehnt, daß sie gebrochen werde,
Das Müdgelebte fault und wird Gebärde.
Noch wittert der Verwesung herber Duft
Nur leise mahnend, ohne zu zerstören,
Und in den Nächten wiegt sich noch die Luft
Klingend genug, die Sinne zu betören,
Indessen mächtig durch die Wälder ruft
Brünstiger Hirsche aufgeregtes Röhren:
Zu dieses Urlauts großem Orgeldröhnen
Ziemen nur Worte, welche freudig tönen.
So weine nicht, du blühendes Geschmeid,
Das ich um meine Einsamkeit gewunden!
Du bist so jung, für dich ist noch das Leid
Die Arzenei, um tiefer zu gesunden,
Und dieses Leben noch ein köstlich Kleid,
Leuchtend von Perlen ungelebter Stunden —
Ich muß die kommenden bedächtig nützen,
Um die gelebten dauernd zu besitzen.
Doch du wirst jung sein, immer wieder wird
Zu dir der Frühling von den Hängen steigen,
Und immer wieder wird dein Haar verwirrt
Vom Tanze sein und von dem Rausch der Geigen.
Ich aber will, von keinem Reiz beirrt,
Mich tiefer in die eigne Seele neigen
Und alles Ewige aus unsern Liebesnächten
Wie rote Rosen in mein Lied verflechten ...
Der Herbst verging. Wir hatten beide nicht
Die Kraft, das süße Labsal abzusetzen.
Da ward das Leben uns ein schal Gericht,
Was Freude war, kalt-sinnliches Ergetzen.
Erst nahmen wir die Maske vors Gesicht,
Nicht sehen wollend, bis auch die in Fetzen
Zerfiel. — Wir haben nie aus diesen Stunden
In unsere Liebe wieder heimgefunden.
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