Anton Wildgans
Österreichischer Lyriker und Dramatiker 1881 - 1932
Akkord
Aufblick
Blick von oben
Das Lächeln
Dienstboten
Dieses Haus wird demoliert
Einem jungen Richter zur Beeidigung
Freunde
Glück des Alleinseins
Ich bin ein Kind der Stadt
Im Anschaun meines Kindes
Kammermusik
Letzte Erkenntnis
Lied des Schmarotzers
Sankt Othmar
Sonette an Ead
Stimme im Traume des Künstlers
Tiefer Blick
Triptychon der Liebe
Vom kleinen Alltag
Wiedersehen mit Gott
Zueignung an die geliebte Landschaft

Lied des Schmarotzers

Bin arm geboren! Was kann ich dafür?

Und habe eines Genießers Nerven!

Taug nicht als Bettler vor fremder Tür,

Laß mir von niemand den Bissen vorwerfen!

Sei, wer da Lust hat, des Glückes Ertrotzer

Im Schweiß seiner Stirne! Beim Element,

Arbeit ist doch nur das Aftertalent

Der Unbegabten! Und ich bin – Schmarotzer!

 

Das ist kein Gewerbe für einen Tropf!

Da gilt es: Kenntnis der menschlichen Schwächen!

Es kann nur ein universaler Kopf

Mit jedem in seiner Sprache sprechen!

Zum Glück sind die meisten, die was besitzen,

An irgendeinem Punkte faul;

Dort brauch ich Sporen und jage den Gaul,

Bis seine Flanken Dukaten schwitzen.

 

Der eine will Freundschaft, ihm spiele ich Treue!

Ein zweiter will Demut, dem komm ich devot!

Mit Alpha schwärm ich für Himmelsbläue,

Mit Beta wälz ich mich wacker im Kot,

Und hält sich Gamma für einen Dichter,

Ich finde seine Verse famos!

Ist keine Lüge so grenzenlos,

Daß sie nicht geglaubt wird von diesem Gelichter!

 

Dafür nun leb ich im vornehmsten Stile

Ganz wie ein Jobber oder Baron!

Fahre und reite, rauche und spiele,

Zahlen mag es mein Herr Patron!

Möchte er geizen, will er sich spreizen,

Lüft ich die Maske von meinem Haß!

Hei, das wirkt wie ein Aderlaß!

Nichts ist gewagter, als mich zu reizen!

 

Und so sitz ich am Tische der Prasser,

Gern gesehn und gefürchteter Gast!

Ihre Weine trink ich wie Wasser,

Lang’ in die Schüsseln, so tief es mir paßt!

Ihre Kapaunen, Trüffeln und Krebse

Sind meinem Gaumen der Sinn der Welt,

Und wenn mir von einem das Weibchen gefällt,

Ihn mach ich zum Hahnreih und sie mir zur Kebse!

 

Und das ist recht so, ihr satten Quiriten,

Die ihr den Menschen nach Talern schätzt!

Euch in den Nacken den Parasiten

Hat Gott-Satan als Bremse gesetzt!

Als den Sendvogt derer, die darben,

Als die Schlange ins Paradies,

Als den Rachegeist der Genies,

Die durch euch am Hunger verstarben!