Anton Wildgans
Österreichischer Lyriker und Dramatiker 1881 - 1932
Akkord
Aufblick
Blick von oben
Das Lächeln
Dienstboten
Dieses Haus wird demoliert
Einem jungen Richter zur Beeidigung
Freunde
Glück des Alleinseins
Ich bin ein Kind der Stadt
Im Anschaun meines Kindes
Kammermusik
Letzte Erkenntnis
Lied des Schmarotzers
Sankt Othmar
Sonette an Ead
Stimme im Traume des Künstlers
Tiefer Blick
Triptychon der Liebe
Vom kleinen Alltag
Wiedersehen mit Gott
Zueignung an die geliebte Landschaft

Sankt Othmar

An meinem Garten ragt ein Gotteshaus uralt

Mit grauen Mauern auf in gotischer Gestalt.

 

Der nahe Bruch gab Stein, das Holz der nahe Berg,

So strebt der Pfeiler auf und Firstes Balkenwerk.

 

Die diesen Bau erdacht, ihr Schicksal ist nicht kund,

Die toten Meister nennt kaum der Legende Mund.

 

Um so lebendiger verblieben ist der Stein,

Dem Efeu gibt er Halt, die Güsse schlürft er ein.

 

Die Schwalbe unterm Sims hat ihren Nestbesitz,

Der Tauber gurrt vom Dach, das Echslein haust im Ritz,

 

Und eh' noch Frühling ist in jedem jungen Jahr,

Zu Liebesflug und Brut einzieht ein Falkenpaar.

 

Dann treiben Gras und Strauch aus Moos- und Mauerwerk,

Und was der Mensch getürmt, ist wiederum ein Berg. —

 

Das nenn' ich eine Kunst, die ihres Schöpfers

Spur So stolz vergessen macht und heimkehrt in Natur!

 

Wir ändern bringen es mit Müh' und Not zu End',

Daß man uns selbst noch weiß und unser Werk nicht kennt.

 

Das kommt vielleicht daher, daß wir zu sehr vertraut

Auf Menschenkunst und -gunst und nicht für Gott gebaut.